Hydra Rechtsextremismus
Deutschland ist um ein Königreich ärmer. Anfang dieser Woche beendeten um die 800 Beamte das “Königreich Deutschland”. Das war eine obskure Gruppierung, die von außen fast sektenartig und komplett unseriös wirkt, dem Reichsbürgermillieu zuzurechnen ist - und dessen Auflösung wahrscheinlich niemand außerhalb dieser Gruppierung ernsthaft als Verlust empfindet.
Es ist daher auch total okay, das als Erfolg des Rechtsstaates und der Demokratie zu werten. Nicht okay hingegen wäre es, so zu tun, als hätte der Staat damit irgendein echtes Problem am rechten Rand gelöst. Er hat ein Symptom aus der Welt geschafft - aber auch das nur vordergründig. Denn die Menschen, die für solchen Mist empfänglich sind, sind es nach wie vor. Ihr Verhältnis zu Deutschland als demokratischem Staat wird sich durch diese Aktion zudem eher nicht verbessert haben. Möglich, dass sie sich weiter radikalisieren, unwahrscheinlich, das sie plötzlich der Meinung sind, dass die Bundesrepublik doch ganz cool ist.
Die Auflösung des “Königreiches” liefert damit ein gutes Beispiel dafür, dass man gewisse Dinge bestimmt manchmal tun muss, wenn man ein demokratischer Staat bleiben möchte - man dieses Etwas-tun aber gleichzeitig nicht damit verwechseln darf, ein echtes, tiefgreifendes Problem zu lösen.
Dieses Problem heißt politischer Extremismus. In diesem Fall der von rechts. Der wird das alberne Königreich garantiert überleben. Er hat den Zweiten Weltkrieg inklusive Nürnberger Prozesse überlebt. Und das Schaffen einer in der Bevölkerung breit verwurzelten, weltweit einzigartigen Erinnerungskultur. Das Verbot einer NSdAP-Nachfolgepartei und das Verbot der Nazipartei selbst, mehrere gescheiterte NPD-Verbotsverfahren und übrigens auch regelmäßige Demos mit Millionen Teilnehmern gegen Rechtsextremismus überall in Deutschland.
Menschen werden immer Gründe finden, rechtsextremen Ideen anzuhängen.
Rechtsextremismus ist mit Verboten nicht aus der Welt zu schaffen. Mit Demos und noch so guten Worten, soliden Argumenten und der Erinnerung daran, wohin der Irrweg des krankhaften Nationalismus und des Rassismus geführt hat, offensichtlich auch nicht.
Was bitteschön auch nicht bedeutet, dass man all das seinlassen sollte. Denn diese Dinge können ja manchmal helfen, ihn einzudämmen. Sie werden ihn nur nie aus der Welt schaffen können und niemand sollte sich einreden, dass das möglich sei.
Vor etwa zwei Wochen überraschte das Bundesamt für Verfassungsschutz uns alle mit der Verkündung, dass es die AFD soeben vom “Verdachtsfall”, rechtsextrem zu sein, auf “gesichert rechtsextrem” hochgestuft habe. Interessant war der Zeitpunkt, denn es handelte sich um den Freitag der letzten Woche im Dienstleben der scheidenden Innenministerin Nancy Faeser. Was unmöglich ein Zufall sein konnte. Faeser wird diese Nummer also auf den letzten Metern ihrer Amtszeit forciert haben. Was nicht schlimm sein muss, auch Minister haben Ziele und dürfen und sollen das auch haben.
Der Schönheitsfehler hier war allerdings, dass die Hochstufung mit einem deutlich über 1000-seitigen Gutachten begründet wurde, dieses Gutachten jedoch unter Verschluss gehalten wurde. Nachvollziehbarerweise fragte ganz Deutschland sich daraufhin, warum eigentlich.
Die gängen Antworten bewegten sich grob zwischen “haben wir doch immer so gemacht” und “wir müssen mögliche Quellen schützen”. Das konnte man unheimlich berechtigt finden, nur hat es einen vergleichbaren Fall ja vorher nie gegeben. Die AFD wird von jedem fünften Wähler gewählt und gehört längst zu den größten etablierten Parteien, ist annähernd auf Augenhöhe mit der CDU und deutlich stärker als SPD und Grüne. Es geht nicht, die Behandlung einer so groß gewordenen Partei einfach als Business as usual zu behandeln, wenn derartige Vorwürfe im Raum stehen. Dass ein Nachrichtendienst das nicht sieht, mag man ihm noch verzeihen. Seine politische Führung allerdings müsste da ein etwas feineres Gespür haben, hat dies hier aber ebenfalls komplett vermissen lassen.
Perfekt wurde die Farce in den folgenden zwei Akten rund um diese Hochstufung. Denn nur wenige Tage später erklärte das Bundesamt für Verfassungsschutz, dass es bis auf Weiteres darauf verzichten würde, die AFD gesichert rechtsextrem zu nennen und ein großes, kollektives “Hä?” ging durch die Republik.
Begründet wurde und wird dies mit einem Gerichtsverfahren, dass die Partei als Reaktion auf die Beurteilung angestrengt hat, weil sie sich eben nicht als "gesichert rechtsextrem” betrachtet sehen möchte.
Was verständlich ist, denn die ganze Strategie der AFD ist es ja, sich die ganze Zeit als total legitime, demokratische Bewegung zu inszenieren. Rechtsextrem wird man immer nur hinter den Kulissen, wie diverse geleakte Chats und Zeugenaussagen immer wieder zeigen. Und in regelmäßigem Dogwhistling, also Signalen, die eben wirklich Rechtsextreme empfangen können und zu deuten wissen. Beispielsweise Wahlkampfslogans, die auf den ersten Blick ganz normal wirken, aber eine eindeutige NS-Vergangenheit haben, die der Normalo gar nicht kennt. Der eingefleischte Neonazi hingegen schon - und für den sind sie eigentlich bestimmt.
Der Verfassungsschutz jedenfalls begründete diesen Schritt also mit diesem Gerichtsverfahren und damit, dass man auch dies eben “schon immer so” gehandhabt habe in der Vergangenheit. Was tatsächlich auch stimmt. Aber auch hier muss der Hinweis gelten, dass es in der Vergangenheit eben nie vergleichbare Fälle gegeben hat. Die NPD war nie auch nur ansatzweise so stark und so beliebt beim Wähler. Die SED/PDS/Linkspartei/Die Linke ebenfalls nicht.
Es ist natürlich nicht falsch, so zu handeln. Aber die Folgen, die das hatte, waren ja absehbar. Vornehmlich linke Kritiker der AFD schimpften pflichtgemäß auf den Verfassungsschutz, der angeblich seine Position binnen Tagen verändert habe, Rechtsextreme sahen sich im Recht und machten sich über die Behörde lustig, die den Schwanz eingezogen habe.
In Wirklichkeit ist beides Mumpitz, denn die Behörde ihrerseits hat ja klargestellt, dass das an der Bewertung selbst gar nichts ändert, sondern lediglich an der Kommunikation darüber. Und selbst das auch nur vorläufig, nämlich für die Dauer des laufenden Gerichtsverfahrens. Die Gegner des Rechtsstaats nutzen diese nicht ganz leicht zu durchschauende Spitzfindigkeit aber natürlich für ihre Zwecke aus. Ironischerweise helfen die Verfassungsschutzskeptiker von links dabei sogar der Sache der Rechtsextremen, weil sie die nicht der Wahrheit entsprechenden Erzählung bestätigen, der Verfassungsschutz hätte seine Meinung geändert.
Dass das so laufen würde, das war ehrlich gesagt aber vorher klar. Man hätte das kommen sehen können - und falls man es nicht laufen sehen möchte, hätte man sich daher überlegen können, wie man es hier vielleicht abweichend vom “haben wir schon immer so gemacht” handhaben sollte. Leider sind Behöden unfähig, von einem “haben wir schon immer so gemacht” aus freien Stücken abzuweichen - und die Ministerin war zu diesem Zeitpunkt schon keine mehr, mutmaßlich war ihr der weitere Schaden, den ihre Fehler anrichten, auch einfach egal.
Der vorläufige Höhepunkt der Nummer rund um den Verfassungsschutz erfolgte am Dienstag dieser Woche, als eine Reihe eher rechter Medien jenen ach so geheimen Bericht, der aber auch davor schon in diversen Foren die Runde gemacht haben soll, veröffentlichten. Das war dann der Moment, in dem klar wurde, dass die Geheimhaltung jedenfalls inhaltlich nicht zu rechtfertigen gewesen war. Grundlage des Gutachtens sind durchweg öffentlich zugängliche Quellen, also eben keine, die man irgendwie hätte schützen müssen. Inhaltlich steht dort nichts, was nicht jeder längst vorher wusste oder wenigstens hätte wissen können.
Das wiederum ist nicht überraschend, denn die Beurteilung der AFD als “gesichert rechtsextrem” war ja nur durch den Verfassungsschutz bisher nicht offiziell festgestellt worden - als informierter Bürger hätte man die aber schon seit Jahren so fassen können und viele haben das auch getan. Und dazu viele der im Gutachten genannten Punkte als Kriterium genutzt. Das ist dann natürlich weniger wissenschaftlich und systematisch, als es die Behörde gemacht hat. Aber dass die Behörde dann zum gleichen Ergebnis kommt, war trotzdem keine Überraschung.
Was uns zu der Frage bringt, ob man die “Sensation” der Neubeurteilung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz vielleicht etwas kleiner hätte verkaufen können, weil es bei Lichte betrachtet einfach keine Sensation gewesen ist.
Das Vorgehen des Bundesamtes bis hierher hat der AFD eher genützt als geschadet, der Beitrag der Ex-Ministeriun dazu ist, so sieht es jedenfalls aus, eher nicht hilfreich gewesen, sondern es ging einzig darum, sich ein letztes Denkmal zu setzen. Hier stand nicht der Kampf gegen Rechtsextremismus im Mittelpunkt, sondern ihr politisches Vermächtnis. Stand heute hat die Aktion beidem nicht geholfen.
Was rund um dieses Gutachten im Raum stand und steht, ist allerdings ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AFD. Insbesondere in der CDU, haben viele eine solche Neubeurteilung als Bedingung genannt, um ein Verbotsverfahren anzustrengen.
Juristen sind sich alles andere als einig, dass eine Beurteilung des Verfassungsschutzes als “rechtsextrem” ausreichend für ein Parteienverbot ist. Dazu muss man wissen, dass sich Parteien in Deutschland nämlich eigentlich gar nicht verbieten lassen - und wenn, dann nur unter sehr, sehr strikten Bedingungen.
Genannt werden hier immer wieder zum Umsturz bereite Kampftruppen im Gefolge der Partei oder eine nachgewiesene Finanzierung einer Partei aus dem Ausland. Beides kann man sich bei der AFD zwar vorstellen - der Verfassungsschutz nennt in seinem Gutachten aber für diese Punkte keine Beweise. Wenn also alles, was die Anklageseite hat, in diesem Gutachten steht, dann ist eher nicht davon auszugehen, dass das für ein Verbot reicht.
Das einzige, was der AFD noch mehr nützen würde, als kein Verbotsverfahren zu erleben, wäre ein scheiterndes Verbotsvefahren. Denn das würde die AFD zur einzigen in allen Parlamenten vertretenen Partei machen, die das Siegel “verfassungskonform” durch das Bundesverfassungsgericht für sich reklamieren könnte. Was natürlich absurder Quatsch wäre - aber genau so würde die Partei es hindrehen und selbstverständlich werden ihre Anhänger das so kaufen und ihrerseits stolz weiterverbreiten. Der Schaden für die Demokratie wäre groß, der Nutzen für die AFD gleichzeitig nur noch größer.
Das wirklich Schlimme am jetzt sehr laut gewordenen Ruf nach einem AFD-Verbot ist aber, dass der Eindruck erweckt wird, ein Verbot könnte irgendein Problem lösen oder gar den Rechtsextremismus aus der Welt schaffen. Wem hier ein kurzer Hinweis in die Geschichte hier nicht genügt - die NSdAP beispielsweise wurde erst nach ihrem Verbot richtig, richtig groß und vor allem gefährlich, eben weil man unterschätzt hatte, dass eine Institution zu verbieten die Bewegung dahinter wenig beeindruckt, wenn sie nur groß genug ist - dem muss man an dieser Stelle vielleicht einmal die Augen dahingehend öffnen, wie Rechtsextremismus in Deutschland inzwischen aufgstellt ist. Um nicht zu sagen regelrecht organsiert ist, auch wenn er eben nicht eine große Organisation, sondern ein System, eine Bewegung ist.
Nämlich betont dezentral, was uns wieder zurück zum jüngst abgeschafften “Königreich” bringt. Verbindungen zwischen dem nunmehr abgesetzten König und der rechtsradikalen bis extremistischen Szene gibt es nämlich natürlich reichlich. Das ganze sogenannte Reichsbürgertum ist letztendlich auch nur eine spezielle Geschmacksrichtung im Spektrum des Rechtsextremisus. Es gibt Verbindungen zur sogenannten “Querdenkerbewegung” aus der Corona-Zeit, die sich damals mehr und mehr in umstürzlerischen Phantasien verlor und aus der Gruppierungen hervorgingen, die schließlich beispielsweise den Gesundheitsminister entführen wollten. Auch Verbindungen zwischen Alice Weidel und dem “Königreich” gibt es offenbar. Die AFD führte in einer Liegenschaft dieser Leute mindestens eine Veranstaltung durch, bei der die Fraktions- und Parteivorsitzende anwesend gewesen ist.
Als Jan Böhmermann in seiner Sendung am Freitag vergangener Woche aufdeckte, dass diverse rechtsradikale Youtube-Kanäle allerbeste Verbindungen zur AFD und auch deren Chefetagen hätten und ausgerechnet Björn Höcke diese Kanäle öffentlich als “Vorfeld” bezeichnet, wurde einem breiteren Publikum ein weiterer Arm des Kraken Rechtsextremismus bekannt gemacht. Ja klar doch: Auch in den sozialen Medien sind diese Leute nicht nur einfach so da, sondern bilden ganz bewusst ein dichtes Netzwerk, dass sich gegenseitig immer wieder pusht, sich auf einander bezieht und sich so gegenseitig immer bekannter und größer macht.
Und genau so funktioniert eigentlich die ganze rechtsextreme Szene in Deutschland. Die Partei “Die Heimat” - die älteren kennen sie meist unter dem Namen NPD - spricht ganz offen davon, dass solche dezentralen Netzwerkmechanismen ihre Strategie seien, nicht etwa das man als Partei aufträte. Die sei ein Teil davon - mehr aber auch nicht.
Und das Netzwerk ist vielfältiger, als den meisten Menschen klar ist. Es gibt die sogenannte Action-Bewegung, bei der sich junge Männer vordergründung einfach nur zum gemeinsamen Besuch im Fitnessstudio vernetzen - politisch ist diese Bewegung aber klar rechtsradikal und funktioniert als Einstiegspunkt in die Szene.
Es gibt jenen inzwischen berüchtigten Hof in Eschede, auf dem Neonazis regelmäßig Sonnenwendfeiern mit Hitergruß und Führerschwüren abhalten. Es gibt die rechtsradikalen Youtuber und Xer, hunderte Telegramkanäle, zigtausende menschliche Multiplikatoren überall in den sozialen Netzwerken, es gibt die immer noch ihre runden drehenden “Spaziergänger” aus der Coronazeit und ihre vielen Chatgruppen, mit denen sie kreuz und quer durch die Republik vernetzt sind. Es gibt ein eigenes Universum aus sogenannten alternativen Medien, die durch sehr selektive Auswahl ihrer Themen, gezieltes Weglassen, Aufbauschen und manchmal auch einfach dreistes Lügen ihr eigens Weltbild nach innen festigen und zugleich nach außen propagieren. Und davon übrigens sogar auch noch ganz gut leben können, weil diese Medien gelesen und geteilt werden, wie verrückt.
Ja, und es gibt eben auch noch die AFD. Die völlig unabhängig davon, ob man sie jetzt behördlicherseits irgendwie einstuft, unweigerlich Teil dieses gigantischen Netzwerkes ist. Das ja selbst seine größeren Knotenpunkte nicht vollständig überschauen, aber insgesamt trotzdem eine echte Bewegung bildet, die sich für konkrete Ziele und auch Taten mit Sicherheit instrumentalisieren lässt, wenn es denn bestimmte Autoriäten innerhalb dieses Netzwerkes drauf anlegen.
Und darin liegt das wirklich gefährliche Potenzial einerseits - dass aber deutlich zu wenig offensichtlich und beweisbar ist, als dass es für ein Parteienverbot vermutlich ausreichen könnte. Und andererseits ist das Problem eben das Spektrum insgesamt und das ist nicht Teil der AFD, sondern die AFD ist bestenfalls instrumentalisierender Teil des Spektrums.
Vielleicht genügt es aber ja doch. Vielleicht könnte man auf Grundlage all dessen, was öffentlich bekannt ist und vielleicht noch einigen Dingen, die bisher nicht öffentlich bekannt sind, die Partei verbieten. Das kann doch sein, oder?
Ja, kann es. Natürlich kann es das, natürlich ist das vorstellbar.
Nur haben wir hier ja gerade ganz grob umrissen, wie breit der Rechtsextremismus Stand heute gestreut hat und auf wie vielen Ebenen er weit in jede Bevölkerungsschicht hineinreicht. Und dass das meiste davon überhaupt nichts mit der AFD zu tun hat, sondern die nur so etwas wie das größte Schild an der Tür ist, das sich obendrein sehr erfolgreich als “bürgerlich” zu verkaufen weiß und dadurch eine große Rolle darin gespielt hat, rechtsextreme Erzählungen und Ideen salonfähig zu machen.
Diese Arbeit ist übrigens getan und rechtsextreme Ideen sind sehr salonfähig. Der Diskurs ist an verschiedenen Stellen deutlich nach rechts verschoben worden. Es schämt sich heute niemand mehr dafür, offen rechtsextreme Positionen zu vertreten. Hunderttausende tun das täglich, es ist fürchterlich normal und alltäglich geworden und dafür hat die AFD gesorgt, das ist maßgeblich ihr Verdienst.
Und daran und an der Existenz eines Netzwerkes, von dem die AFD eben auch nur ein Teil ist, kann ein Verbot der AFD nichts ändern. Die Mitglieder der AFD sind anschließend immer noch da. Ihre Wähler sind danach immer noch da. Keiner von denen wird wegen eines Verbotes seine Meinung ändern und keiner von denen wird deswegen seine Kontakte zu Gleichgesinnten verlieren. Wahrscheinlich ist sogar, dass sich ein Teil davon nur noch mehr radikalisiert, weil das auch jetzt schon stets gut gepflegte Opfer-Narrativ dann natürlich richtig gut greift.
Aber selbst im aus demokratischer Sicht besten Fall, nämlich dem, dass ein Verbotsverfahren tatsächlich erfolgreich sein könnte: Die Bewegung, für die die AFD das Türschild, das Gesicht, der parlamentarische Arm ist, wäre nach einem Verbot immer noch da.
Was also folgt aus dieser Erkenntnis? Leider wenig Erbauliches. Und die übliche Erkenntnis, dass die vermeintlich einfachen Lösungen in Wirklichkeit gar nicht so einfach, vor allem aber keine Lösungen sind.
Unsere Demokratie hat ein massives Problem. Der Rechtsradikalimus, der Rechtsextremismus in Deutschland ist groß wie nie, erfolgreich wie nie und kommt in der Bevölkerung so gut an, wie zuletzt vor knapp einhundert Jahren.
Die ernstzunehmenden Gegenbewegungen haben der Einfachheit halber ein Parteienverbot als einzige echte Maßnahme erkoren, die sie jetzt die ganze Zeit einfordern - obwohl klar ist, dass das mit guter Wahrscheinlichkeit scheitern wird und selbst im Optimalfall nur ein Symptom bekämpft und das eigene Gewissen beruhigt.
Das Problem des grassierenden Rechtsextremismus aber kann ein Parteienverbot gar nicht lösen, weil der Rechtsextremismus sich evolutionär zu einer vielköpfigen Hydra weiterentwickelt hat. Was aber nach wie vor erschreckend vielen Menschen so unbewusst ist, dass sie an verschiedenen Stellen längst Teilen der rechten Szene auf den Leim gehen, ohne es zu merken - und meistens auch ohne es wirklich zu wollen.
Jene Behörden, deren Job es eigentlich ist, unsere Demokratie gegen solche Bewegungen zu verteidigen, verhalten sich dermaßen stümperhaft, dass man drüber lachen müsste, wenn es nicht so ernste Folgen hätte, dass von hier aus eher keine brauchbare Unterstützung in der Abwehr des Rechtsextremismus zu erwarten ist.
Wenn also die großen Gegenbewegungen keine Hilfe sind und die Behörden auch nicht, die demokratischen Parteien, deren Rolle wir hier noch nicht mal erwähnt haben, ebenfalls nicht, was bleibt dann? Ist dann schon alles verloren, ist der krakenhaft agierende Rechtsextremismus eigentlich schon am Ziel?
Nein, nicht unbedingt. Ein letzter Trumpf bleibt noch. Nämlich der, dass nach wie vor die meisten Bürger einem offen auftretenden Rechtsextremismus gegenüber absolut feindlich gesinnt sind. Die Bürger haben mehrheitlich keinen Bock auf Nazis, auch wenn sie hier und da auf die ach so simplen rechtsradikalen Parolen reinfallen mögen.
Jede Offenlegung dieses immer noch sehr verdeckten Netzes, jede Querverbindung, die bekannt wird, auch jede Demaskierung einer im Kern rechtsradikalen Botschaft hinter einer zunächst harmlos oder gar vernünftig wirkenden politischen Position, ist daher ein Beitrag dazu, das mehr Menschen besser verstehen, was Phase ist.
Und wenn die Beiträge der Behörden eher peinlich nach hinten losgehen und die klassischen Gegenbewegungen zum Rechtsextremismus keine hilfreichen Beiträge liefern, weil sie sich lieber nur auf ein Verbot einer Partei konzentrieren möchten, dann ist es eben an uns Allen, darüber zu sprechen, wie die Gefahr aussieht, woran man sie erkennt, wie vernetzt sie ist. Und dass die einzige Chance, ihr noch adäquat zu begegnen, eben eine quer durch alle Schichten der Bevölkerung reichende Haltung gegen das rechtsextreme Spektrum, wie auch immer es sich gerade präsentiert, ist.
Oder einfach ausgedrückt: Wir sind jetzt an dem unbequemen Punkt, an dem wir alle echt den Arsch hochkriegen müssen. Denn ein AFD-Verbot wird wahrscheinlich nicht kommen. Aber selbst wenn es kommt, wird es keine Lösung sein.
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