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WM003 Internationaler Haftbefehl gegen Netanjahu (KW47/2024)
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WM003 Internationaler Haftbefehl gegen Netanjahu (KW47/2024)

Der Internationale Gerichtshof hat Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu beantragt. Er begründet das damit, dass die israelische Regierung Kriegsverbrechen begangen habe. Konkret soll Israel Hilfslieferungen nach Gaza behindert haben.

Gaza kann sich bekanntermaßen auch außerhalb schwerster Kriegs- und Krisenzeiten wie jetzt in keiner Weise selbst versorgen, ist daher auf Hilfsgüter zum Beispiel aus Israel angewiesen. Es ist erstaunlich, dass dort zwar viele Millionen Euro an Hilfsgeldern aus aller Welt hinfließen, aber mit dem Geld so gar nichts für die eigene Bevölkerung getan wird. Dafür ist man dort Weltmeister im Bauen von unglaublich umfassenden Tunnelsystemen, deren Funktion es ist, unbemerkt größere Mengen Kämpfer in die Nähe der israelischen Grenze zu bringen, damit diese dann überfallartig über das Land herfallen können, um wahllos Menschen jeden Alters und Geschlechts und übrigens auch ethnischer Zugehörigkeit oder Religion zu ermorden oder zu entführen.

So geschehen am 7. Oktober des vergangenen Jahres. Ab diesem Tag wurde das anstelle einer eigenen Wasserversorung erbaute Tunnelsystem zusätzlich zum dauerhaften und in vielen Fällen letzten Aufenthaltsort von über hundert gekidnappten Geiseln, die jüngsten davon im Kleinkinderalter.

Diese Geiseln werden, gemeinsam mit Frauen und Kindern der freiwilligen Einwohnerschaft Gazas, immer wieder als lebende Schutzschilde missbraucht und mehr oder weniger neben militärische Anlagen wie zum Beispiel Raketenabschussrampen positioniert, damit sie ums Leben kommen, wenn Israel versucht, die täglichen dutzenden Raketenangriffe auf wiederum die israelische Zivilbevölkerung (militärische Ziele versuchen diese Raketen gar nicht erst zu treffen), zu unterbinden.

Das ist die Ausgangslage. Dass Israel überhaupt in irgendeiner Weise Gaza unterstützt und Hilfen durchlässt, empfinde ich ehrlicherweise und bei allem Verständnis für die Zivilbevölkerung, als völlig wahnsinnig. Vielleicht verspricht man sich davon, dass es in irgendeiner Weise Anerkennung bei irgendwem auf der Welt findet. Davon allerdings nehme ich jedenfalls nichts wahr. Die Dankbarkeit seitens der Einwohner Gazas scheint mir ebenfalls äußerst gering zu sein. Trotzdem ließ Israel die Bevölkerung Gazas nie im Stich. Im Gegenzug flogen jedes Jahr tausende Raketen auf israelische Wohngebiete. In den letzten drei Jahren in Summe über 20.000 Raketen.

Zeitgleich mit Netanjahu wurden Haftbefehle gegenüber der Hamas-Führung erlassen. Unter anderem wegen systematischer Vergewaltigung, was interessanterweise von Seiten vieler Israel-Kritiker gern bestritten wird. Das nur am Rande.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist zweifelsohne eine schwierige Person. Bis kurz vor dem 7. Oktober wurde die öffentliche Debatte in Israel von seiner Justizreform geprägt, die definitiv keine gute Entwicklung ist, wenn einem etwas an Demokratie und Rechtsstaat liegt. Netanjahus Koalitionspartner sind mehr als zweifelhaft, er selbst zumindest in den letzten Jahren ebenfalls. Es gibt verflucht viele gute Gründe, die Politik Netanjahus zu kritisieren oder abzulehnen.

Der Krieg Israels in Gaza und im Libanon ist furchtbar. Ausgelöst hat ihn der weit verbreitete Antisemitismus vor allem in Gaza, wo mit der Hamas eine Terrororganisation seit fast 20 Jahren so tut, als sei sie die Regierung Gazas und dort alle Macht an sich gerissen hat. Zentrales Ziel der Hamas ist nichts weniger als die vollständige Vernichtung Israels. Das steht nicht nur klar und deutlich in der Charta der Hamas, das kann man auch an ihrem Logo erkennen, das nämlich eine kleine Landkarte enthält, die “from the river to the sea” einen Staat darstellt, der das Gebiet des heutigen Israels plus Gaza und die Westbank enthält.

Dass Israel vor diesem Hintergrund nach dem 7. Oktober härteste Schritte gegenüber der Hamas ergriffen hat, nachdem es erstaunlich lange erstaunlich viel einfach so hingenommen hat, finde ich verständlich und absolut gerechtfertigt. Dass wann immer irgendwo auf der Welt Kriege geführt werden, auch Kriegsverbrechen geschehen, halte ich für eine leider fast unausweichliche Begleiterscheinung. Was nichts entschuldigen soll, natürlich gehören solche Verbrechen aufgeklärt, verfolgt und geahndet.

Wenn man sich klarmacht, wie viele Feinde Israel in dieser Welt - und auch unter den Vertragsstaaten des Internationalen Gerichtshofes - hat, denen Hamas wie Hisbollah mit Sicherheit alles an möglichem Beweismaterial etwaiger Kriegsverbrechen zukommen lassen, was sie finden können, ist es bemerkenswert genug, dass klassische Kriegsverbrechen wie Morde an der Zivilbevölkerung, nicht Teil der Vorwürfe sind.

Ausdrücklich will ich hier nicht so tun, als seien Kriegsverbrechen von Seiten Israels und seiner Armee auszuschließen. Im Gegenteil: Ich gehe davon aus, dass Verbrechen geschehen sind und geschehen. Einfach, weil das leider in jedem Krieg so ist. Es würde mich freuen, wenn ich mich da irre und auch das ist nicht ausgeschlossen.

Aber Fakt ist, dass der Haftbefehl mit behinderten Hilfslieferungen aus Israel Richtung Gaza begründet wurde und that’s it. Auch nichts, was ich irgendwie entschuldigen möchte, nur halte ich es für durchaus bemerkenswert, was hier vorgeworfen wird und was ausdrücklich nicht.

Ob der Haftbefehl in der Sache nun gerechtfertigt ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen und will ich auch nicht.

Als vor wenigen Wochen der Türkische Ministerpräsident die eigene Bevölkerung bombardieren ließ, weil eine kurdische Terrororganisation einen fürchterlichen Bombenanschlag in der türkischen Hauptstadt Ankara verübt hatte, erhob der internationale Strafgerichtshof übrigens keinen Haftbefehl. Und in der arabischen und muslimischen Welt herrscht bis heute dröhnendes Schweigen zu diesem Angriff auf Zivilisten im eigenen Land. Es war auch nicht der erste Angriff der türkischen Armee dieser Art.

Neben der Regierung der Türkei würden mir noch etliche weitere Regierungen einfallen, denen ich ähnliche Vorwürfe machen könnte, die allesamt krasser sind als keine Hilfslieferungen in ein Gebiet durchgelassen haben zu sollen, in dem gerade umfangreiche militärische Operationen stattfinden, weil von dort massive Terrorangriffe auf die eigene Zivilbevölkerung gestartet wurden und werden.

Und so drängt sich der schlimme Verdacht auf, dass es diesen Haftbefehl nicht gegeben hätte, wäre Benjamin Netanjahu nicht ausgerechnet ein Jude.

Ein spannender Punkt noch zum Schluss: Da Israel nicht zu den Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofes gehört, wird es Netanjahu auch nicht ausliefern. “Palästina”, dass zwar kein richtiger Staat ist, jedoch den Internationalen Strafgerichtshof anerkennt, wäre hingegen in der Pflicht, die Führung der Hamas auszuliefern. Meine Prognose: Nichts dergleichen wird jemals geschehen. Mehr noch: Es wird die Weltöffentlichkeit einen Scheiß interessieren, ob die Hamas ihre Führung ausliefert. Gleichzeitig werden alle möglichen und unmöglichen Medien und selbsternannte Nahost-Experten von nun an keine Gelegenheit auslassen, darauf hinzuweisen, dass Herr Netanjahu übrigens per internationalem Haftbefehl gesucht werde und das böse Israel sich weigere, ihn auszuliefern.

Solche Doppelstandards sind ganz objektiv gesehen das deutlichste Kennzeichen von Antisemitismus.

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