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WM011 Alles wird teurer - auch der Fußball (03/2025)
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WM011 Alles wird teurer - auch der Fußball (03/2025)

Die angeblich schönste Nebensache der Welt droht etwas teurer zu werden: Das Bundesverfassungsgericht hat diese Woche entschieden, dass Vereine aus dem Bundesligafußball an Kosten für Polizeieinsätze beteiligt werden dürfen, wenn das jeweilige Bundesland diese in Rechnung stellen möchte.

In Bremen ist das schon länger Usus, dort stellte das Land teilweise fast eine halbe Million Euro in Rechnung - für einzelne Spiele. Wenn wir von 100 Spielen pro Jahr ausgehen, die als “Risiko” eingestuft werden und mal niedrig ansetzen, dass im Schnitt 200.000 Euro in Rechnung gestellt werden könnten, reden wir von 20 Millionen Euro. Es könnte natürlich auch noch viel mehr sein - oder auch viel weniger.

Denn natürlich müssen Länder das nicht tun und jedenfalls vorerst werden das auch nicht alle tun, schon gar nicht jedes Mal. Aber: Sie haben jetzt die Möglichkeit. Und die meisten Menschen finden das gut und fair.

Das ist auch nachvollziehbar. Denn diese meisten Menschen gehen ja sowieso nicht in Stadien - und wenn, dann nur ganz selten mal und dann wäre es wahrscheinlich auch egal, wenn das mal ein bisschen mehr kostet. Die Tickets sind ohnehin horrend teuer. Was kümmert es dann, wenn’s noch mal um 10 Euro teurer wird?

Unter dem Strich klingt es auch erstmal völlig fair: Die Verursacher eines Aufwandes müssen halt für diesen aufkommen. Das ist normal und wird zurecht vom größten Teil der Bevölkerung als gerecht empfunden. Das gilt auch für dieses Urteil: Es fühlt sich erstmal richtig an.

Der Beschluss hat allerdings zwei Pferdefüße.

Der eine ist, dass der Staat, beziehungsweise die Polizei, mehr oder weniger willkürlich festlegen kann, was ein sogenanntes Risikospiel ist und wie hoch der Aufwand zu dessen Schutz sein soll. Im Endeffekt kann also der Staat selbst festlegen, wie viel er dem Verein konkret abknöpfen möchte. Ein gewisses Missbrauchspotenzial kann man hier also durchaus sehen - gerade auch in Zeiten knapper Kassen. Ein paar Millionen Euro mehr im Landeshaushalt können ja durchaus manchmal eine Landtagswahl entscheiden.

Das andere Problem ist, dass es überraschenderweise in diesem Land nicht nur Fußball gibt, sondern auch andere Großveranstaltungen. Gigantische Volksfeste, die teilweise über Wochen gehen und bei denen gerne mal hunderte Millionen Euro umgesetzt werden. Es gibt auch tausende ganz kleine Veranstaltungen bei denen trotzdem eine höhere Polizeipräsenz sinnvoll und nötig und auch gute Praxis ist - auch die kostet Geld.

Beim Oktoberfest in München sind rund 600 Polizisten im Einsatz - 14 Tage lang. Das übertrifft jedes Risikospiel um Größenordnungen und auch hier gilt: Es geht bei weitem nicht jeder zum Oktoberfest, warum also sollte das komplett die Allgemeinheit bezahlen müssen?

Hafengeburtstag in Hamburg, Karneval in Köln, Musikfestivals mit zigtausenden Besuchern. Überall in Deutschland gibt es diese Giga-Events, die deutlich erhöhten Aufwand für die Polizei bedeuten - und zwar selbst dann, wenn alles ruhig und ohne überdurchschnittlich viele Straftaten abläuft.

Es gibt auch kleinere Veranstaltungen wie Stadtfeste in Kleinstädten, auch hier ist erhöhte Polizeipräsenz sinnvoll und nötig - und auch hier kostet die selbstverständlich Geld.

Die Fußballwelt wird nun berechtigterweise bei jeder Rechnung, die sie von der Polizei erhält, fragen, ob hier wirklich fair gehandelt wird - und wenigstens andere Großveranstaltungen ebenso zur Kasse gebeten werden.

Man könnte auch ketzerisch die Frage stellen, ob zum Beispiel die AFD nun auch die Rechnung zu tragen hat, wenn Gegendemos gegen ihre Veranstaltungen zu Ausschreitungen seitens der autonomen Szene führen. Oder auch nur zu jener immensen Polizeipräsenz, die wir jetzt gerade regelmäßig erleben. In dieser Woche sind in Hamburg zum Beispiel hunderte Polizisten im Einsatz gewesen - wegen einer einzigen Veranstaltung der AFD, respektive linker bis linksextremer Gegenveranstaltungen. Die AFD hat die Demonstranten zwar so wenig bestellt, wie ein Fußballverein seine Hooligans. Aber sie gehören halt irgendwie dazu, um es mal arg polemisch zu vereinfachen.

Das Denkmal dieser Woche widmen wir also der Frage, wo in Sachen öffentlicher Sicherheit die Pflicht des Staates anfängt und wo die Verantwortung eines Veranstalters finanziell beginnt. Was sich im ersten Anlauf noch völlig fair anfühlt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung wieder mal als deutlich komplizierter.

Fest steht - oder sollte jedenfalls - dass die öffentliche Sicherheit, also das Durchsetzen von Recht und Gesetz die absolut wichtigste Aufgabe ist, die ein Staat hat. Ein Staat, der das nicht tut oder nicht tun will, macht sich selbst überflüssig. Deswegen ist es erstmal okay, wenn das Erfüllen dieser Aufgabe echt viel Geld kostet - und im Wesentlichen die Allgemeinheit dafür aufkommt.

Daran und daran, dass das weiterhin so bleibt, ändert allerdings auch dieses Urteil erstmal nichts. Die Länder werden sich zwar überlegen, inwiefern sie davon Gebrauch machen und es wird garantiert künftig nicht nur in Bremen hin und wieder passieren, dass Vereinen Einsatzkosten in Rechnung gestellt werden. Jedenfalls vorerst wird das aber, wie man aus den Staatskanzleien so hört, nicht der Normalfall im Umgang mit sogenannten Risikospielen werden.

Es ist ja ohnehin putzig, dass der Steuerzahler durchaus auch öfter mal für klamm gewordene Bundesligavereine aufkommen musste in der Vergangenheit - man denen aber jetzt hier und da in die Tasche greifen möchte. Die Landesregierung, die einen größeren Verein einfach mal bankrottgehen lassen würde, würde es sich mit ziemlich vielen Wählern verscherzen - weswegen es wohl auch künftig so sein wird, dass man schon aus Selbstschutz maßvoll und einvernehmlich zuschlagen würde, wenn überhaupt.

Ob das wiederum fair ist, wäre das nächste Fass, dass man hier thematisch aufmachen könnte.

Ein Risikospiel ist ein Spiel, bei dem erwartet wird, dass eine größere Zahl gewaltbereiter Fußballfans aufeinandertreffen könnte und es zu Straftaten in größerem Ausmaß kommt. Die sogenannte “Dritte Halbzeit” ist etwas, für das der Steuerzahler sicherlich nicht alleine aufkommen müssen sollte. Das Damoklesschwert “Kostenbeteiligung” könnte hier dazu beitragen, dass die Vereine, die, wenn man ehrlich ist, Großunternehmen mit hunderten Millionen Euro Umsatz sind, sich etwas zielführender um die sogenannte Fankultur kümmern und sich bemühen, Gewalt rundum bestimmte Spiele langfristig zu verhindern.

Die ganz vielen anderen Fragen, die wir hier einmal leicht angerissen haben und die in dem Urteil durchaus mitschwingen, müssen bis auf Weiteres offen bleiben. Aber wenn wir mit unseren Überlegungen Denkanstöße liefern konnten, dass auch Sachverhalte, die sich erstmal sinnvoll und fair anhören, dies nicht automatisch auch sein müssen, hat dieses Wochenmonument seinen Zweck erfüllt.

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