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WM012 Das goldene Zeitalter des Populismus (04/2025)
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WM012 Das goldene Zeitalter des Populismus (04/2025)

Als Deutscher kommt man nicht umhin, fast ein wenig neidvoll den Zeremonien um die Amtseinführungen neuer Präsidenten in den Vereinigten Staaten zuzusehen. Zumindest, wenn man deutsche Pendants kennt, denn die sind in der Regel geradezu betont unfeierlich. Was wir am Montagabend live aus Washington zu sehen bekamen, war vom Rahmen her durchaus würdevoll und wunderbar amerikanisch.

Das begann mit dem filmreifen Einmarsch diverser US-Prominenz, allen voran sämtlicher noch lebenden ehemaligen Präsidenten. Aber auch alle anderen ranghohen US-Politiker traten nach und nach durch die Tür, sowie die Creme de la Creme der Tech-Milliardäre, von Mark Zuckerberg bis Tim Cook.

Sie alle lauschten der Vereidigung zuerst des neuen Vizepräsidenten und dann der Donald Trumps als Präsident. Im Anschluss marschierte ein Chor auf, der die „Battle Hymn of the Republic“ intonierte - unterstützt von absolut jedem im Saal, vom kleinen Abgeordneten bis hin zum frisch vereidigten Präsidenten.

Gesungen wurden noch einige weitere Lieder, vor allem aber wurde viel gebetet. Das kann man geschmacklich alles finden, wie man will - aber es hatte seinen festlichen Rahmen.

Statt fand das Ganze in den ehrwürdigen Hallen des Capitols, der Herzkammer der amerikanischen Demokratie. Den Grundstein für das Gebäude hatte noch George Washington persönlich gelegt.1814 von den Briten niedergebrannt und anschließend wieder aufgebaut, ist es in seiner Symbolik für die Widerstandskraft der amerikanischen Republik kaum zu übertreffen.

Was allerdings auch an einem Ereignis liegt, das erst wenige Jahre zurückliegt. Denn im Januar 2021 verschafften sich tausende Demonstranten gewaltsam Zutritt zum Capitol und marodierten schamlos darin herum, richteten Schäden an, stahlen Gegenstände, trieben für das Social-Media-Publikum derbe Späße.

Gerufen hatte sie niemand geringeres als ausgerechnet Donald Trump. Jener Mann, dessen erste Amtszeit 2021 endete, was im Capitol durch ordinäres Nachzählen der Stimmen an genau jenem Tag noch einmal formal festgestellt werden sollte, von Trump und seinen Fußtruppen jedoch versucht wurde, zu verhindern.

Derselbe Donald Trump wurde nun also, fast auf den Tag genau vier Jahre später, an gleicher Stelle erneut zum Präsidenten vereidigt. Eben im eingangs beschriebenem historisch gewachsenem, ehrenvollen Rahmen.

Den Eindruck der Ehrenhaftigkeit zerstörte Trump jedoch erwartungsgemäß mit dem Höhepunkt der Zeremonie selbst, nämlich mit seiner Antrittsrede.

Wer niemals Zeitung liest oder sonstige News aus Amerika verfolgt, der musste aufgrund dieser Rede den Eindruck gewinnen, dass es mit den USA katastrophal bergab gegangen sein muss in letzter Zeit. Die Rede war von einer „Invasion“ an der südlichen Grenze, von unfassbarem Unrecht gegenüber einigen Bundesbeamten und Soldaten, die wegen ihrer Verweigerung einer Covid-Impfung gefeuert worden waren, von der Biden-Regierung, die „korrupt und inkompetent“ gewesen sei und so weiter und so fort.

Sich selbst stellte Trump in dieser Rede als von Gott auserwählt dar für die wichtige Aufgabe, all die Katastrophen, in die das Land seiner Meinung nach hineingeraten war, zum Guten zu wenden.

Beziehungsweise in das „Goldene Zeitalter“ zu führen, das mit dieser Woche für Amerika anbräche, einfach nur, weil jetzt endlich wieder Donald Trump regiert.

Er erklärte auch, welche Sofortmaßnahmen er für dieses Ziel angehen würde.

Beispielsweise die Ankündigung eines nationalen Notstandes an der Südgrenze, verstärkte Grenzsicherung und Massenabschiebungen illegaler Einwanderer.

Oder die Aufhebung sämtlicher Klimaschutzmaßnahmen und die verstärkte Förderung von Erdöl.

Das Festsetzen von neuen Zöllen auf ausländische Waren bei gleichzeitiger Senkung der Unternehmenssteuern für die heimische Produktion.

Ganz wichtig auch: Die Anerkennung von nur noch zwei Geschlechtern. Und die Umbenennung des Golf von Mexiko in Golf von Amerika.

Ferner verlangte er von den NATO-Partnern, dass diese künftig fünf Prozent ihres Bruttoinlandproduktes in Verteidigung investieren sollen und kündigte an, den Panamakanal unter amerikanische Kontrolle zu bringen. Generell gedenkt er, das Territorium Amerikas zu erweitern. Auch aber nicht nur durch die geplante Mars-Mission.

Viel zu tun also. Direkt nach der Vereidigung ließ er sich in eine Halle chauffieren, auf deren Bühne ein Schreibtisch aufgebaut war, an dem er vor 20.000 Menschen die ersten Dekrete zu unterzeichnen begann. Mit dieser grotesken Szene begann also dieses “Goldene Zeitalter” - einem Begriff, bei dem man unweigerlich an die goldenen Vorhänge im Oval Office denken muss, die eines der ersten Dinge war, die Trump bei seiner ersten Amtszeit dort anbringen ließ.

Man ist gewillt, dieses ganze Getöse zu belächeln. Es ist natürlich lächerlich. Ein absurdes Theater. Aber eines, das eben funktioniert, das massenhaft Menschen begeistert und nicht nur zu Wählern, sondern zu Fans macht.

Und das ist kein Zufall oder ein Nebeneffekt, sondern eigentlich der Kern der Methode Trump. Und die findet weltweit seit Jahren Nacheiferer. Weswegen wir diesem Phänomen in dieser Woche ein Denkmal setzen.

Trump und sein Umfeld denken nicht in klassischen Kategorien wie Parteien. Ja sicher, sie haben eine Partei als Vehikel benutzt, um an die Macht zu kommen. Aber die Basis ihres Erfolgs ist ihre Anhängerschaft - und die wird mit den vielfältigen Trump’schen Showeinlagen immer bestens unterhalten und mit auf sie zugeschnittenen politischen Inhalten regelrecht begeistert.

Das sind mindestens in Teilen absolut skurrile Sachen. Wie der Name eines Meeres, von dem vor Trump niemand geahnt hat, dass er ein Problem darstellen könnte. Generell fällt auf, dass Nichtigkeiten zu gewaltigen Problemen aufgebauscht werden, damit man dann eine Lösung präsentieren kann, die in erster Linie Kopfschütteln auslösen muss.

Was soll das mit den zwei Geschlechtern? Sicher kann man der Meinung sein, dass das eine sinnvolle Regelung ist. Aber wie kann so etwas ein die Nation so sehr erschütterndes „Problem“ sein, dass ein angehender Präsident es so prominent in seiner Antrittsrede benennen mag?

Was soll das mit der „Invasion“ aus Mexiko? Also ja: Die Trump-Klientel findet illegale Einwandernug problematisch, haben wir alle verstanden. Aber die Zahlen der illegalen Grenzübertritte ist während der Biden-Regierung ja eben nicht gestiegen, sondern gesunken.

Solche Punkte sind ein Beleg dafür, worum es wirklich geht: Nämlich um die Show. Die Show ist das Allerwichtigste, dann folgt alles andere. Die Show ist Trumps Methode gewesen, an die Macht zu kommen - auch beim ersten Mal schon. Show kann er ziemlich gut. So gut, dass nicht nur seine Fans davon fasziniert sind, sondern mehr noch seine Gegner. Die verfolgen alles von ihm und sie teilen bereitwillig jedes weitere Kapitel der Trumpshow. Jeden Tag, wenn es sein muss. Das taten sie während beider Wahlkämpfe und das machte Trump omnipräsent auf allen Kanälen.

Wie wichtig Trump die Show ist, zeigt auch das Thema Tiktok. Tiktok wollte er eigentlich abschalten. Bis jemand kam und ihm zeigte, wie gut man damit Wahlkampf machen kann. Was dann auch sehr konsequent und erfolgreich getan wurde - und inzwischen ist Trump selbst auch öffentlich davon abgerückt, Tiktok lahmzulegen und dafür offen für andere Lösungen.

Für die hat er jetzt ja praktischerweise auch einige neue Freunde mit an Bord, nämlich die versammelte Tech-Elite Amerikas. Elon Musk ist Eigentümer und Umbenenner von Twitter, Zuckerberg ist Mr. Facebook, beziehungsweise Mr. Instagram, beziehungsweise Mr. WhatsApp und hätte bestimmt gute Ideen, wie man Tiktok in amerikanischer Eigentümerschaft in den Meta-Konzern integrieren könnte.

Die Anwesenheit der Tech-Elite zeigt übrigens ebenfalls, wie wichtig die Show ist. Tim Cook, Boss von Apple, sah während der Amtseinführung nicht übermäßig glücklich aus und hatte, anders  der Rest der Bande, seine Million Dollar aus eigener Tasche gespendet. Wie genau Trump es hinbekommen hat, dass die alle hübsch aufgereiht neben ihm standen bei der Vereidigung und auch noch unfassbar hohe Summen an Spenden für diese Veranstaltung auf den Tisch gelegt haben, weiß niemand. Zuckerbergs Ankündigung, Facebook jetzt auch offiziell zur zentralen Plattform für Falschmeldungen weiterzuentwickeln, gehört ebenfalls in diesen Kontext.

Und natürlich Elon Musk, der hier eine ganz besondere Rolle spielt und spielen wird. Twitter war einst Trumps wichtigstes Sprachrohr, jetzt sitzt dessen Eigentümer mit auf der Regierungsbank. Praktischerweise verkauft er auch gerne regelmäßig Raketen an eine Regierungsbehörde. Er kontrolliert die Reichweiten, die sich über Twitter erreichen lassen, während er persönlich Teil der Regierung ist und hebt damit den Begriff Interessenskonflikt in eine völlig neue Liga.

Und als Chef-Quartalsirrer garnierte er die sowieso schon sehr schillernde Show am Tag der Amtseinführung mit einer mindestens hitlergrußähnlichen Geste, über die sich die ganze Welt seither das Maul zerreißt. Auch wieder so eine Showeinlage, wie sie Trump selbst kaum besser hingekriegt hätte.

Und auch das kommt den Fans wieder entgegen. Die Geste war vielleicht nicht geplant aber genial. Die Hasser kriegen nicht genug davon, wieder und wieder in die sozialen Medien zu bringen, wie krass sie das fanden, die Anhänger machen sich darüber lustig, wie der Rest der Welt sich über so eine harmlose Geste aufregt, die angeblich nur zeigt, wie ehrlich Musk sich über Trump freut.

Das alles markiert vielleicht nicht direkt den Beginn einer neuen Ära, denn eigentlich befinden wir uns in eben dieser schon länger. Aber womöglich den Zeitpunkt, zu dem auch dem letzten klar wird, dass sich die Spielregeln der Politik in den westlichen Demokratien grundlegend geändert haben.

Hin zur absoluten Show, in der das Erzählte endgültig mehr gilt, als das Erreichte. Und manchmal spielt selbst das Erzählte gar keine Rolle mehr. Erinnert sich noch jemand an die Liveshow von Elon Musk und Alice Weidel? Das war eine Mischung aus endloser Fremdscham und dem Austausch von Banalitäten. Zwei Personen haben sich unterhalten, die sich nicht wirklich irgendwas von Belang zu erzählen hatten - aber dass sie miteinander sprachen, das war eine solche Sensation, dass alle Zeitungen tagelang darüber berichteten. Obwohl rein gar nichts dahinter war.

Das ist die neue Äre, die Trump längst perfektioniert hat. Und niemand sollte sich vertun: Nur, weil die völlig oberflächlich und fleischlos wirkt, ist sie es eben gerade nicht. Sondern in dem ganzen vermeintlich belanglosem Getöse wird mal mehr, mal weniger sorgfältig versteckt, was wirklich Agenda ist.

Bei Trump heißt diese Bewegung “Make America great again”, kurz MAGA Trump begreift und beschreibt seine MAGA ganz offen als Bewegung und nicht als politische Partei. Vermutlich (eigentlich sogar hoffentlich) ist nicht mal jeder Republikaner Fan von MAGA. Aber MAGA ist mehr als nur die Republikaner. Es ist ein Netzwerk aus einer Heerschaar sogenannter “alternativer Medien”, aus haufenweise Knalltüten, die lächerlich kostümiert Parlamente stürmen, wenn der Chef der Bewegung das bestellt. Es ist eine Bewegung mit finanzkräftigen Freunden, bei denen weder wirklich wichtig, noch klar ist, ob sie wirklich hinter dieser Bewegung stehen oder sie lediglich geschäftlich nutzen.

Vor MAGA darf einem zurecht Angst und Bange sein angesichts der derzeitigen Machtfülle. Aber beängstigender, als was in Amerika bereits passiert ist, sollte uns in Europa sein, was in Europa an vergleichbaren Netzwerken längst aufgebaut wird. Denn Donald Trump und seine Freunde sind das eine - denen muss man zumindest aber lassen, dass sie in der Tendenz proamerikanisch agieren, auch wenn Trump immer wieder mit Russlands Machthabern in Verbindung gebracht wird.

Bei uns werden allerdings die ebenfalls längst sehr etablierten Alternativmedien zu einem großen Teil durch Staaten wie Russland oder China kontrolliert. Diese Staaten kontrollieren damit längst einen nennenswerten Teil der Meinungsbildung in Deutschland und auch in ganz Europa. Und sie werden diese bei Bedarf nutzen, um unsere Gesellschaft zu destabilisieren. Und tun das auch längst.

Wahrscheinlich stehen wir tatsächlich am Anfang von so etwas wie einer neuen Ära. Ob man diese ein “Goldenenes Zeitalter” nennen mag, darf bezweifelt werden. Es ist eine Ära des Populismus und der Shitshows. Das muss einem überhaupt nicht gefallen aber wir sehen bei weltweit allen demokratischen Wahlen, dass das ein überaus erfolgreicher Trend ist. Wir werden erleben, dass dieses Muster auch immer mehr von seriösen Parteien, den echten Demokraten, genutzt werden wird. Denn das ist, was künftig eben nötig sein wird für den Erfolg an den Wahlurnen.

Ob wir es zum Beispiel in Deutschland erleben werden, dass demokratische Parteien sich zu Bewegungen mausern, zu Gegenbewegungen zu all dem gelogenen Mist, den nicht ausschließlich aber sehr erfolgreich die neurechten Parteien überall in Europa und darüber hinaus schaffen, wird die Zeit zeigen.

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