Wochenmonument
Wochenmonument
WM019 Das Corona-Revival (11/2025)
0:00
Aktuelle Uhrzeit: 0:00 / Gesamtzeit: -7:21
-7:21

WM019 Das Corona-Revival (11/2025)

Das Coronavirus ist zurück. Zum Glück nur als Thema und nicht als Pandemie.

Denn wie ein schlechter Scherz aus einer längst vergangenen Zeit kam diese Woche plötzlich die Corona-Pandemie mit einer besonders schrägen Schlagzeile aus der an sich sowas von wohlverdienten Versenkung. Die sogenannte Laborthese nämlich sei laut Geheimdienstberichten aus Deutschland quasi bewiesen. Oder wie es die Schlapphüte ausdrücken: Das Virus stammt zu 80 bis 95-prozentiger Sicherheit aus einem Labor in Wuhan.

Was machen wir jetzt mit dieser Schlagzeile? Corona interessiert - völlig zu Recht -schon lange niemanden mehr. Gleichwohl galt diese Laborthese seinerzeit als beliebte Verschwörungstheorie. Ihr wahrscheinlich lautester Vertreter war der damalige US-Präsident. Der hieß zufällig genau wie der aktuelle, es war natürlich Donald Trump. Und die Labortheorie verbreitete er abwechselnd mit der Mutmaßung, Corona gäbe es gar nicht und anderem Bullshit. Aber die Theorie hatte natürlich noch mehr Anhänger und Verbreiter.

Und einer war demnach auch der BND, der allerdings seine Theorie auf handfeste Erkenntnisse stützte und damit dann zur damaligen Bundesregierung ging, die das wiederum beschloss erstmal geheimzuhalten. So geheim, dass zum Beispiel der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn nach seiner Aussage auch nichts davon wusste. Das kann man jetzt glauben oder nicht. So wahnsinnig relevant für die Beurteilung der ganzen Nummer ist das nicht, aber trotzdem ein interessantes Detail.

Nicht ganz unwichtig zu erwähnen ist, dass der BND sich zwar sicher ist, dass das Virus aus jenem Labor kommt, er aber nicht davon ausgeht, dass das absichtlich geschehen ist. Wenn es so wäre, müsste man das eigentlich einigermaßen beruhigend finden. Allerdings sollten wir uns an der Stelle nichts vormachen: einem Staat, der buchstäblich über Leichen geht, wäre eine solche Tat selbstverständlich zuzutrauen.

Auch bei einem Versehen stellt sich ja die Frage: Ja, und nun? Man wird die enormen Schäden, die das Virus verursacht hat, ja China nicht in Rechnung stellen können. Einmal, weil das vermutlich auch chinesische Mittel übersteigen dürfte. Aber vor allem auch deshalb, weil niemand China dazu zwingen können wird.

Der interessantere Gedankengang aus deutsche Sicht ist eigentlich der, ob eventuell deswegen teilweise so übertriebene Maßnahmen getroffen worden waren, weil jedenfalls dem Kanzleramt bekannt war, dass das Virus sehr wahrscheinlich künstlichen Ursprungs war und man sich da noch ganz andere Szenarien ausmalte.

Und so tut sich also eine ganze Reihe an zwar vage interessanten, aber eigentlich doch ganz schön unwichtigen Fragen rund um diese lustige neue Erkenntnis auf.

Der entscheidende Kern der Coronathematik aus heutiger Sicht jedoch bleibt immer noch außen vor. Das wäre nämlich die Frage, wie man eine derartige Überreaktion des Staates eigentlich künftig verhindern kann.

Sprich: Eine echte Aufarbeitung der damaligen Politik. Und zwar nicht im Sinne eines Tribunals, das einfach nur Fehler auflistet und deren Verantwortlichkeiten feststellt - wie sich das so mancher Spinner vermutlich wünschen würde. Sondern eine wirkliche Klärung, gepaart mit einem wirklichen Lernwillen unseres Labyrinthes aus Behörden und Ministerien, das damals alle 2-3 Wochen - manchmal sogar öfter - neue, teils wirklich abstruse Regeln bekanntgab, bei denen nur ausnahmsweise der konkrete Anlass oder der konkrete Gedankengang erkennbar gewesen ist, sich das meiste aber nach völliger Willkür anfühlte.

Man kann das alles natürlich nicht rückgängig machen und diejenigen, die über diese völlig verrückte Zeit selber verrückt geworden sind, holt man mit so einer Aufarbeitung vermutlich leider auch nicht wieder zurück auf die Seite der Demokratie.

Aber die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann in den nächsten Jahren weitere Extremsituationen entstehen, ist ja die letzten fünf Jahre eher größer als kleiner geworden. Lohnt es sich da nicht, aufzuarbeiten, wie man als Staat so mit den eigenen Bürgern umgeht, dass sie sich ernst genommen fühlen statt nur gegängelt?

Bei allem Verständnis für die Überreaktion, was Maßnahmen gegen Corona betrifft - und dieses Verständnis darf man haben, in böser Absicht hatte hier sichtlich niemand gehandelt: Was komplett auf der Strecke geblieben ist, ist die psychologische Komponente. Sprich: Die Frage, was das eigentlich mit den Menschen macht, wie da gerade mit ihnen umgesprungen wird und ob nicht die eine oder andere Maßnahme auch ein bisschen anders hätte aussehen können, ohne, dass viel Schaden dabei entstanden wäre.

Auch, dass der Umstand, woher das Virus stammt, als eine Art Staatsgeheimnis behandelt wurde, torpediert ja jedes Vertrauen in den Staat. Dass man es nicht 2020 öffentlich machen wollte, ist zwar verständlich und auch völlig verzeihlich. Es hätte für die Krise keinen Unterschied gemacht, wahrscheinlich aber unnötige Panik verursacht. Nur sind inzwischen fünf Jahre vergangen und es hat zudem einen Regierungswechsel gegeben. Künftig wird sich jeder mit jeder noch so albernen Verschwörungstheorie auf diesen Vertrauensbruch beziehen können. Und spätestens 2022 oder 2023 hätte man eigentlich diese Erkenntnis problemlos veröffentlichen können. Und hat dann doch gewartet, bis es noch viel später die Presse rausfindet - und guckt als Staat jetzt dumm aus der Wäsche.

Was uns Sorgen bereiten sollte, ist nicht die Frage, ob das Virus eine Laborzüchtung gewesen ist. Beschäftigen sollte uns viel mehr, was eigentlich kaputt ist, dass unser Staat uns ohne Not derartige Erkenntnisse meinte vorenthalten zu müssen. Und dass unser Staat als Gesamtkunstwerk, also mit all seinen Komponenten aus Landes- und Bundesregierungen, den zugehörigen Parlamenten, aber auch allen möglichen Behörden, es offensichtlich nicht als Notwendigkeit betrachtet, aus diesem und allen anderen Fehlern in der Pandemie zu lernen oder diese überhaupt erst einmal zu identifizieren. Und dass es keiner staatlichen Ebene ein Anliegen zu sein scheint, bei einer ähnlichen Krise diese extremen Fliehkräfte (die unter anderem zu AFD-Wahlerfolgen noch und nöcher geführt haben, führen und auch weiter führen werden) irgendwie vermeiden zu wollen.

Und so müssen wir das Denkmal der Woche einem doch etwas überraschend passierten Corona-Revival widmen - und ein wenig resignierend auch einmal mehr der Erkenntnis, dass unser Staat entweder nicht Willens ist, aus wirklich uncoolen Fehlern zu lernen - oder es einfach nicht kann.


ℹ️ Das WOCHENMONUMENT ist Podcast und Newsletter zugleich.

Jede Woche widmen wir uns einem Thema mit aktuellem Bezug aus Politik und Gesellschaft - und allem dazwischen. In unserem WOCHENMONUMENT beleuchten wir es und ordnen es ein.

Und setzen der Woche damit ein Denkmal. Woche für Woche für Woche.

📰 Kostenlos und werbefrei abonnierbar unter wochenmonument.substack.com sowie überall, wo es Podcasts gibt (klicke hier).

Über Bewertungen überall dort, wo das geht, würden wir uns freuen.

👉 Zu einer Übersicht der bisherigen Ausgaben geht es hier.

Diskussion über diese Episode