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WM021 Geheimplan mit Presse (13/2025)
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WM021 Geheimplan mit Presse (13/2025)

Geheimplan mit Presse

Digitalisierung im Staat ist immer ein Thema, das Skurrilitäten hervorbringt. Angela Merkel wurde in den Nullerjahren zunächst dafür berühmt, dass sie - voll modern - SMS zu nutzen begann. Eine komplett unverschlüsselte Methode, zu kommunizieren, auch wenn es, zugegebenermaßen, seinerzeit wenig praktikable Alternativen gab.

Während Corona wurde das Faxgerät zum Running Gag in Deutschland - tot ist es leider bis heute nicht. Als das Deutschlandticket eingeführt wurde, gab es großes Theater, weil die Idee zunächst war, dass man dafür unbedingt ein Smartphone bräuchte. Inzwischen gibt es von vielen Verkehrsverbünden Alternativen - denn man darf ja niemanden ausschließen und so.

Bei der letzten Bundestagswahl war auch deshalb nur sehr wenig Zeit zum Versand der Wahlunterlagen, weil die Bewerber ihre Unterlagen bis heute in Papierform einreichen müssen. Und diese Unterlagen sind nicht einfach nur 2-3 Seiten, sondern ein veritabler Stapel mit diversen händischen Unterschriften - und wenn da irgendwo ein Fehler drin ist, wird möglicherweise die Kandidatur ungültig. Um das Wahlergebnis festzustellen, kommt ein Wahlausschuss zusammen und leistet pro Person sechs Unterschriften. Bei acht Personen sind also 48 Unterschriften zu leisten - weil man nämlich sechs Originale für das Protokoll benötigt. Denn da ist gar nichts digital. Bei 299 Wahlkreisen zählen wir gut 14.000 Unterschriften - von denen höchstens 299 in der Sache zu rechtfertigen wären. Doch alleine, dass in Deutschland eine Unterschrift als Methode zur Authentifizierung betrachtet wird, ist ja schon ein Witz. Wir alle haben einen hochmodernen Personalausweis in der Tasche, der das technisch erheblich besser lösen könnte, wenn wir nur wollten.

In dieser Woche ereignete sich ein weiterer Skandal innerhalb der amerikanischen Regierung. Anders als die Bundeskanzlerin vor 20 Jahren nutzt die - das weiß nun die ganze Welt - mit Signal einen vernünftig verschlüsselten, sicheren Dienst für ihre Kommunikation. Ob das trotzdem rechtlich sauber ist, dürften amerikanische Behörden jetzt noch prüfen, denn eigentlich muss die Kommunikation ja in irgendeiner Weise archiviert und festgehalten werden und ob das hier immer der Fall ist, war zumindest den Zeitungsmeldungen nicht zu entnehmen.

Der eigentliche Skandal war aber natürlich, dass die Regierung einen Angriff auf Terroristen im Jemen plante und so, wie andere Leute zur Planung eines Geburtstagsgeschenks eine Chatgruppe eröffnen, eröffnete Verteidigungsminister Pete Hegseth nun also eine Gruppe, in die er diverse Leute einlud, darunter auch der Vizepräsident - und ein Journalist. Letzterer war da natürlich versehentlich drin. Und die Planung des Angriffs, die komplett in dieser Gruppe besprochen wurde, bekam der mit - und veröffentlichte sie. Allerdings erst im Nachgang des Angriffs, weil er im Gegensatz zu seiner Regierung über einen Funken Verantwortungsgefühl verfügt und keine Menschenleben gefährden wollte.

Und damit widmen wir das Denkmal der Woche dem Umgang mit der digitalen Welt seitens des Staates, der auch im Jahr 2025 abwechselnd stümperhaft, unbeholfen und manchmal absolut verantwortungslos zu nennen ist.

In diese Reihe gehört selbstverständlich auch jener Vorfall, in dem russische Agenten Besprechungen der Bundeswehr haben abhören können, weil auch hier - ähnlich wie nun der Chat der US-Regierung - Leute mit im Raum waren, die dort nichts zu suchen hatten.

Das Problem betrifft also intelligente wie dumme Menschen. Es ist teils bereits durch veraltete Gesetze und Regelungen begründet, auch wenn das nicht rechtfertigt, hier mal ein Update auf zeitgemäße Vorschriften auszurollen. Und selbst wenn wirklich vorbildlich aktuelle Technik genutzt wird, wie eben in dieser Woche durch die US-Regierung, die eben nicht auf irgendeinen Unsinn wie WhatsApp gesetzt hat, sondern die sichere Alternative dazu namens Signal, schützt das bei Unachtsamkeiten nicht davor, sich gehörig in die Nesseln zu setzen.

Zur Ironie dieser Story gehört übrigens unbedingt dazu, dass der Fördertopf, mit dem die amerikanische Regierung viele Jahre den Betrieb des Dienstes Signal unterstützte, von der gleichen Regierung, die diesen Dienst bekanntermaßen für geheimste Geheimabsprachen nutzt, jüngst eingestampft wurde aber das nur am Rande. Können sie ja jetzt durch den Chat von “X” ersetzen. Der gehört mit Herrn Musk ja praktischerweise vollständig einem absolut vertrauenswürdigen Mitglied der Trump-Administration, was kann da also schon schiefgehen.

Aber Spaß beiseite: Wir alle gehen mit Technik mittlerweile einerseits erfreulich selbstverständlich um. Legen aber auf der anderen Seite eine schockierend große Sorglosigkeit an den Tag, wenn es um die Sicherheit geht. Und sind oft genug auch grotesk nachlässig. Regelmäßigen Statistiken zufolge sind die beliebtesten Passwörter immer noch Schöpfungen wie “Passwort123”, Passwortmanager sind nicht nur, aber ganz besonders in Deutschland für die meisten Leute ein Fremdwort, von Zweifaktor-Authentifizierung ganz zu schweigen. Dass eine E-Mail in etwa so abhörsicher ist, wie eine Postkarte, wenn auch mit dem Unterschied, dass das massenhafte Tracking von Postkarten technisch ungleich aufwendiger wäre, mag vielen Nutzern bekannt sein, im Alltag danach gelebt wird hingegen nicht.

Privatleute ohnehin, aber auch Behörden und Regierungen nutzen mit einer Selbstverständlichkeit die Erzeugnisse der Tech-Giganten wie Microsoft oder Google, als wäre nicht seit mittlerweile Jahrzehnten bekannt, dass das automatisch immer bedeutet, dass einem zumindest die NSA potenziell über die Schulter blickt. Und da haben wir von werbefinanzierten Handyspielen oder ans Internet angeschlossenen TV-Geräten, deren Geschäftsmodell nach wie vor das Ausspähen der Nutzerschaft ist und nicht wirklich der Verkauf der Geräte, noch gar nicht angefangen zu reden.

Ja, der Anlass für dieses Wochenmonument ist der Epic Fail von Herrn Hegseth und seiner Signal-Gruppe. Aber das Problem liegt soviel tiefer und sein Kern sind wir letztendlich eigentlich alle. Und sei es nur, weil wir ja nicht mal beanspruchen, dass auch unser Staat technisch up to date arbeitet und kommuniziert und wir uns da verdammt viel einfach so bieten lassen - schon, weil wir ja privat auch nicht besser sind.

Das hat viel damit zu tun, dass den meisten Menschen das dazu nötige Wissen fehlt. Aber das fehlt, weil es uns als Kollektiv relativ egal ist, an diesem fehlenden Wissen etwas zu ändern. Nach wie vor ist Informatik kein schulisches Pflichtfach für alle, Programmieren lernen ausschließlich Leute, die als Supernerds gelten.

Die deutsche Technikfeindlichkeit ist sicherlich ein extremes Beispiel und in anderen Teilen der Welt wird mit solchen Themen erheblich offener umgegangen.

Auch in den USA allerdings, immerhin Standort beinahe aller Monopolplattformen der aktuellen Techwelt, werden offensichtlich schon mal versehentlich Journalisten eingeladen, der Planung streng geheimer Militärschläge beizuwohnen. Das ist schlimm und selbstverständlich darf das in solchen Kreisen überhaupt nicht passieren.

Es ist verlockend und auch überhaupt nicht unberechtigt, dies einfach nur als weiteren Anlass zu betrachten, sich über die amerikanische Regierung und ihre Unfähigkeit zu amüsieren oder, je nach Geschmack, aufzuregen. Aber lassen wir es doch bitte nicht dabei bewenden, sondern hinterfragen wir unser aller Umgang mit moderner Technik, unserem Wissen darüber und ob wir nicht doch hier und da auch selbst Dinge deutlich verbessern könnten und sollten, um Missgeschicken vorzubeugen.


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