Sieben Monate Knast für einen schlechten Witz
Sieben Monate Gefängnis für den Chefredakteur des “Deutschlandkurier”, so lautet das in dieser Woche in Bamberg verkündete Urteil. Während mancher sagen würde, dieses Urteil sei ein schlechter Witz, ist das Vergehen an sich allerdings auch bereits ein wirklich blöder Witz gewesen.
Denn er hat ein fürchterlich schlecht gephotoshopptes Bild von Nancy Faeser gepostet, die ein Schild in der Hand hält, auf dem steht “Ich hasse Meinungsfreiheit”. Und als wäre das noch nicht blöde genug, lautet sein Text dazu “Nancy Faeser hasst Meinungsfreiheit”. Das Gericht fand, dass das den Tatbestand der Beleidigung erfüllt, dass diese Behauptung über die Bundesinnenministerin ihr enorm schaden könnte - und begründet damit eben das dann aber doch extrem heftige Urteil.
Man muss jetzt den Deutschlandkurier nicht mögen. Das ist so etwas wie die Hauszeitung der AFD, ein reines Schmierblatt, um das man wirklich einen großen Bogen machen sollte. Die Qualität dieser Zeitung ist ungefähr die gleiche, wie die Witz-Qualitäten ihres Chefs. Denn mal ehrlich: Dieser Gag gehört vielleicht tatsächlich hart bestraft - aber dann aus Geschmacksgründen, weil er dermaßen stumpf ist, dass man echt nicht drüber lachen kann.
Tatsächlich aber wurde hier nach Paragraf 188 des Strafgesetzbuches verurteilt, weil eine Person des politischen Lebens so sehr beleidigt worden wäre, dass ihr öffentliches Wirken erheblich erschwert sei.
Komisch, dass man den Eindruck bei Frau Faeser so gar nicht hatte, dass sie sich dadurch irgendwie hätte Bremsen oder sonstwie beeinträchtigen lassen. Aber das Gericht hat das eben so gesehen, okay.
Natürlich war das erkennbar Satire. Es wäre besser gewesen, wenn der Postingtext nicht einfach nur den Bildinhalt so richtig kreuzdoof wiederholt hätte, sondern irgendeinen lustigen Kontext, irgendwas geliefert hätte, dass das wirklich felsenfest als Satire hätte aussehen lassen. Nur: Man kennt diese Leute. Die haben dermaßen viel Schaum vorm Mund, dass sie gar nicht wahrnehmen, was sie da von sich geben. Man sollte meinen, ein Chefredakteur, wenn auch einer Quatschzeitung, hätte sich da etwas besser im Griff - aber so ist es offenbar nicht.
Wenn man es partout nicht will, kann man diesem Beitrag sicherlich verweigern, eine satirische Interpretation zuzugestehen. Ob man das als Gericht kann und sollte, sei mal dahingestellt. Der Mann ist immerhin Journalist und effektiv ist dieses Urteil ein Eingriff nicht nur in die Meinungsfreiheit, sondern in die Pressefreiheit.
Der mag rechtlich so in Ordnung sein. Aber vielleicht ist ja das Recht hier das Problem?
Warum gibt es einen speziellen Paragrafen, nur für “Personen des politischen Lebens”? Warum darf man Politiker also weniger beleidigen, als andere Personen?
Und wenn man das als Gesetzgeber schon so regelt, warum ist dann eine - zugegeben schlechte und auch wenig gelungene - Satire bereits Grund genug für eine Verurteilung. Und dann noch eine so harte?
Sieben Monate Gefängnis, nicht etwa siebentausend Euro oder auch nur eine öffentliche harte Ermahnung, sondern wirklich richtig echt Knast.
Okay, auf Bewährung. Aber das heißt auch nur, dass er mit Pech einen einzigen Post davon weg ist, wirklich in den Bau zu gehen. Als Journalist. Ist das wirklich, wie wir Grundrechte ausgelegt sehen wollen?
Das einzig witzige an der Geschichte ist, dass dieses Urteil gewissermaßen die angebliche Falschbehauptung wie eine Art zutreffende Prophezeihung aussehen lässt, denn es richtet sich ja eindeutig gegen die Meinungsfreiheit. Frau Faeser hasst Meinungsfreiheit, behauptet das Meme - und Frau Faeser reagiert quasi wie bestellt, indem sie der Meinungsfreiheit einfach mal zeigt, wo der Hammer hängt.
Und ja, man darf dem Typen jede Strafe gönnen, sein Blatt ist wirklich der letzte Rotz. Das ist hier aber gar nicht der Punkt. Denn wenn demnächst gewisse Parteien mitreden, wenn es um Richterposten geht, dann kann der Wind eben auch aus einer ganz anderen Richtung wehen und dann wird genau so hart geurteilt, wenn man einen Höcke oder eine Weidel in ähnlich blöder Weise angeht - was ja nun tagtäglich geschieht, was die sich auch nicht immer gefallen lassen, was auch oft genug eher stumpf als witzig, geschweigedenn tiefgründig ist. Aber es passiert halt.
Und es passiert überall auf der Welt. Dass man sich über Politiker lustig macht, echten Quatsch über sie verbreitet, das witzig meint oder wenigstens so tut als ob - alles ganz normal.
Jedenfalls im Westen. Nicht normal ist so etwas in Nordkorea, Russland und all den anderen Unrechtsstaaten, von denen wir uns eigentlich ständig versuchen massiv abzugrenzen. Würde man in Russland einen Oppositionellen wegen eines Posts wie diesen in den Knast bringen, wären wir alle fürchterlich empört - und das auch zurecht. Wir haben aber offensichtlich selbst Gesetze, die ähnliches zulassen. Und es scheint eher Glück als systematisch zu sein, dass das nur selten geschieht.
Tatsächlich haben wir hier aber einen Paragrafen, den eine mögliche künftige Diktatur in Deutschland sofort exakt so nutzen würde, wie andere Diktaturen es tun.
Egal, wie sehr man Frau Faeser schätzt, egal, wie sehr man den Deutschlandkurier und sein Personal verachtet: Der Paragraf 188 ist eine Katastrophe. Er gehört abgeschafft, denn er ist eines westlichen Rechtstaates nicht würdig.
Und er ist ein Einfallstor für massiven Missbrauch durch mögliche künftige autokratische Regierungen.
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