Die Bestätigung des eigenen Weltbildes als Selbstzweck
Wenn Schüsse aus einer Polizeipistole jemanden umbringen und diese Schüsse sogar von hinten kommen, sieht das für die Polizei erstmal nicht gut aus. Trafen diese Schüsse jemanden, der vorher Menschen mit einem Messer bedroht hat, sieht das Opfer allerdings auch nicht ganz unbescholten aus.
Passiert ist die ganze Tragödie in Oldenburg. Laut Presseberichten hat ein 21-Jähriger dort am Osterwochenende versucht, in eine Diskothek zu kommen, wurde jedoch an der Tür abgewiesen - weil er in Jogginghose gekleidet war. Wer schon mal in einer Diskothek war weiß, dass die einen in der Regel in solchen Klamotten nicht reinlassen. Fühlt sich für den Abgewiesenen in der Regel nicht gut an, wird aber von den meisten wohl oder übel akzeptiert. In diesem Fall entbrannte jedoch ein Streit und der verhinderte Diskothekengast griff die Türsteher mit Reizgas an, ergriff im Anschluss die Flucht. Die Türsteher sollen ihm gefolgt sein, wollten sich, so scheint es, den Angriff auch nicht bieten lassen. Der Flüchtige bedrohte diese dann während der Flucht mit einem Messer - worauf hin sie die Verfolgung abbrachen. Die inzwischen ebenfalls folgende Polizei hingegen tat dies natürlich nicht. Und es kam zu den tödlichen Schüssen.
Die genauen Umstände mindestens der letzten Szenen dieser Tragödie sind jetzt Teil von Untersuchungen. Wenn ein Mensch erschossen wird, dann wird das in unserem Land eigentlich immer genauer untersucht - und wenn die Schüsse von der Polizei ausgingen, ohnehin. In diesem Fall führt das allerdings zu einer ganzen Reihe an Vorverurteilungen, Missverständnissen und Spekulationen, die weder Sache gerecht werden, noch irgendwie hilfreich sind.
Da sind zum einen diejenigen, die mit einer Geschieht-ihm-Recht-Attitüde vorpreschen - obwohl wir wirklich kaum mehr sicher wissen als das, was wir hier einmal zusammengefasst haben und selbst das basiert ja nur auf Aussagen, die in der Presse zu finden sind aber keinesfalls die Sachlage korrekt wiedergeben müssen.
Also ja: Wenn man Menschen bewaffnet angreift, kann das exakt so ausgehen. Wenn man nach so einem Angriff bewaffnet der Polizei gegenübertritt, dann läuft man Gefahr, dass die einen wie jemanden behandelt, der, nun ja, bewaffnet Menschen angreift. Das mit einem “geschieht ihm recht” so hinzunehmen, ist trotzdem fragwürdig, weil der genaue Hergang eben alles andere als klar ist und, wie gesagt, die Rede von Schüssen ist, die von hinten kamen.
Für die wiederum kann es natürlich aus der Situation heraus Gründe geben, die zu rechtfertigen sind. Aber auch das kann man nicht beurteilen. Weshalb auch die “Polizeigewalt”-Fraktion, die mindestens genauso laut ist, sich weit aus dem Fenster lehnt.
Seit Tagen nun schaukeln beide Seiten sich hoch, ignorieren dabei diverse rechtsstaatliche Grundsätze einerseits und eben den Umstand, dass zumindest öffentlich garantiert noch lange nicht alles geklärt ist, was den Hergang der Ereignisse betrifft.
Ein kleines Detail, dass wir hier bisher nicht erwähnt haben, liefert möglicherweise die Erklärung dafür, warum die Fronten so verhärtet sind. Ein Detail, das an sich überhaupt keine Rolle spielen sollte, es aber für beide Seiten offenbar tut. Und das ist die Hautfarbe des Angreifers, denn es handelt sich bei dem 21-Jährigen um einen Menschen schwarzer Hautfarbe.
Was ihn für die eine Seite zu so etwas wie dem natürlichen Übeltäter macht, was unheimlich rassistisch ist. Und was ihn für die andere Seite zum natürlichen Opfer jeglicher Polizeigewalt macht, was ebenfalls rassistisch ist.
Aber so funktionieren soziale Medien eben und wir kennen das zur Genüge. Den Opfern (allen voran dem Toten, aber die mit Reizgas attackierten und mit einem Messer bedrohten Personen sind durchaus auch Opfer) oder gar dem Rechtsstaat wird das selbstverständlich in keiner Weise gerecht. Wird es nie und das ist auch in diesem Fall so.
Und darum widmen wir das Denkmal dieser Woche den Vorurteilen, Mutmaßungen und voreiligen Meinungsbildnern, deren Werk leider immer wieder nur das Bestätigen des eigenen Weltbildes ist und eben nicht die Suche nach der Wahrheit, geschweige denn nach Gerechtigkeit.
Es täte uns allen gut, wenn wir wieder lernen würden, die Dinge einfach mal etwas abzuwarten. Auch wenn das im Extremfall heißt, dass das mal ein oder zwei Jahre dauern kann, weil Gerichtsverfahren plus Berufungen eben Zeit brauchen. Diese Zeit dient aber nicht der Schikane der Öffentlichkeit, sondern die braucht man einfach, wenn man Abläufe fair beurteilen möchte. Was eigentlich ein Ziel ist, dass wir jedenfalls an der Oberfläche alle teilen - nur in der praktischen Umsetzung, da tun wir uns in unserer Sensationslüsternheit und unserem Drang danach, uns unser eigenes Weltbild bestätigen zu wollen, dann doch schwer.
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