Als ich die Idee für diesen Podcast ausgefeilt habe, lag es zweifelsfrei auf der Hand, dass das Denkmal für die erste behandelte Woche ein gewisser Herr aus Amerika sein würde.
Ich hätte meine Dankbarkeit dafür zum Ausdruck gebracht, dass dieser Wahlkampf endlich vorbei ist, dem von Deutschland aus viel zu viel Aufmerksamkeit zuteil geworden ist, wenn man bedenkt, dass wir da alle nicht wahlberechtigt sind und für uns eigentlich nur das Ergebnis relevant ist und weniger, wie es zustande kommt.
Ich hätte angesprochen, wie bemerkenswert falsch die Umfragen auch dieses Mal lagen - und dass das bei Trumps erster Wahl auch schon so war und dass das ja etwas bedeutet. Nämlich, dass Umfragen nach den klassischen Modellen eben Trump nicht vorhersagen können und dass das garantiert auch ein Phänomen ist, dass sich nicht auf die Amerikaner beschränkt.
Dann hätte ich sicherlich meine These ausgewalzt, dass einen großen Teil der Verantwortung für dieses Wahlergebnis der Amtsinhaber Biden trägt, denn ohne dessen zu späten Rückzug hätte es bei den Demokraten einen ganz normalen Kandidatenprozess gegeben, an dessen Ende vielleicht nicht Frau Harris gestanden hätte, von der man von heute aus betrachtet ganz ohne Häme feststellen muss, dass sie eine sehr schwache Kandidatin war, vor allem aber offensichtlich die falsche gegen einen Kandidaten Trump.
All das sind Gedanken, die ich mir für die geplante erste Folge bis Mittwoch locker gemacht hatte. Denn welches Ereignis sollte diesen amerikanischen Wahltag in den Schatten stellen?
Dann kam der Mittwoch und der Mittwoch verwandelte sich in einen Mittwochabend und der wiederum wurde jäh durch eine unerwartet bedeutsame Breaking News unterbrochen.
Sie lautete: Olaf Scholz entlässt Finanzminister Christian Lindner - und jedem war klar, dass das zwangsläufig nur eine andere Wortwahl dafür ist, dass die Regierung sich gerade auflöst und es sehr wahrscheinlich Neuwahlen geben wird.
Und damit auch ein neues Thema für mein erstes Wochenmonument.
Also: Was zum Teufel ist da passiert?
Es soll sich folgendermaßen zugetragen haben: Christian Lindner, Vorsitzender einer der drei Koalitionsparteien und gleichzeitig Finanzminister, wurde von Herrn Scholz, seines Zeichens Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, vor die Wahl gestellt, einen offensichtlich verfassungswidrigen Haushalt aufzustellen - oder gefeuert zu werden. Uff!
Dem vorausgegangen war ein Papier mit wirtschaftlichen Forderungen, mit denen Lindner seine Koalitionspartner offen provoziert hatte. Dass diesen Forderungen die roten und grünen Mitkoalitionäre nicht zustimmen konnten, war an sich jedem klar. Wie kompromissbereit Lindner da an der einen oder anderen Stelle vielleicht noch gewesen wäre, haben wir allerdings nicht mehr erfahren, denn dieses Papier kam in der Kabinettsrunde gar nicht erst zur Sprache.
Stattdessen soll Lindner erkannt haben, dass nichts davon eine Chance hat und darum konsequenterweise Neuwahlen als Ausweg vorgeschlagen haben. Der Sinn darin war, dass man dann ein geordnetes Verfahren bis zur Neuwahl hätte finden und die noch offenen wichtigen Projekte vernünftig abschließen können.
Der Kanzler, der das Papier natürlich - wie der Rest der Bürger auch - vorher schon kannte, hatte zu diesem Zeitpunkt seine Entscheidung längst getroffen.
Denn für Kanzler Scholz befinden wir uns in einer “Notlage”. Trotz einer Billion Steuereinnahmen findet er, dass man die in der Verfassung stehende “Schuldenbremse” aussetzen müsse. Das geht allerdings nur, wenn gewisse Kriterien ganz klar erfüllt sind. Diese sind - das hat das Bundesverfassungsgericht 2023 festgestellt, als Scholz das letzte mal einen ähnlichen Taschenspielertrick versucht hatte:
die Bundesrepublik muss existenziell bedroht sein
diese Bedrohung muss unvorhersehbar gewesen sein
es handelt sich um eine einmalige Situation, es gibt keine Wiederholung.
Scholz wollte die Wahl Donald Trumps als solche “Notlage” betrachtet sehen. Es ist das zweite Mal, dass Trump gewählt wurde, von einmaliger Situation kann also keine Rede sein. Der Wahlkampf läuft seit Monaten und dass Trump Präsident werden könnte, ist etwas, womit die Politik schon sehr, sehr lange, eigentlich seit vier Jahren, vage rechnen konnte und eigentlich auch musste.
Last but not least bedroht die Wahl Trumps natürlich nicht die Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Und so kann man nicht anders als festzustellen, dass Scholz uns hier einen Bären aufbinden will - und auch, wenn mancher Deutsche ihm vielleicht glauben mag: Das Verfassungsgericht würde es nicht.
So hat es auch Lindner gesehen, dem dieser Erpressungsversuch natürlich aber auch gut zupass kam, weil er offensichtlich sowieso raus wollte. Spätestens mit Scholz’ Attacke, die dieser sich ebenso offensichtlich auch nicht erst in der Kabinettssitzung dieses Showdowns überlegt hatte, scheint es also auf Gegenseitigkeit zu beruhen, dass man die Ampel in dieser Woche beerdigen wollen würde.
Bemerkenswert ist, was in der Folge noch so passierte. Die meisten FDP-Minister baten umgehend um ihre Entlassung. Volker Wissing, bis letzte Woche noch gerade von rot und grün vielfach gescholtener Verkehrsminister, wollte hingegen seinen Pensionsanspruch retten und erklärte, im Amt bleiben und lieber die FDP verlassen zu wollen. Seither reden Politiker aus SPD und Grünen auf einmal über ihn und seine Arbeit ausgesprochen positiv. Auch Wissing wird sich das nicht erst nach dem Bruch überlegt haben, er war ja in alle Schritte eingeweiht.
Und die Grünen rufen mit ihren 10% in den Umfragen Robert Habeck zum Kanzlerkandidaten aus. Robert Habeck ist ausgerechnet der Minister, der Deutschland wie kein anderer spaltet, was sicherlich auch den Grünen nicht entgangen sein dürfte. Woraus man schließen muss, dass sie sowieso keinen Kanzler stellen wollen, sondern lediglich ihr eigenes Klientel mobilisieren.
Die SPD wird, wie es aussieht, allen Ernstes ein weiteres Mal mit Scholz in den Wahlkampf ziehen, was gleichzeitig wenig überraschend und doch absolut erschreckend ist. Nie war ein Kanzler unbeliebter und die Art und Weise, wie er seine aktuelle Kanzlerschaft nun beendet, spricht eigentlich auch überhaupt nicht für ihn. In bundesweiten Umfragen steht seine Partei bei etwa 15% und man kann nur vermuten, dass Scholz sich erfolgreich einredet, dass das mit ihm nichts zu tun haben könnte. Dass auch sonst keiner in der SPD gemerkt zu haben scheint, dass man an der Spitze ein krasses Personalproblem hat, dass man besser lange vor der nächsten Wahl loswird, macht diese Umfragewerte und auch das Abschneiden der SPD bei den letzten paar Landtagswahlen zu verdienten hundsmiserablen Ergebnissen. Für die Demokratie in Deutschland ist das trotzdem eigentlich scheiße.
Das Gute an diesem krassen Showdown, dem ich hiermit ein Denkmal setze, ist - neben der Show an sich, die endlich mal nicht nur Politiknerds anspricht, sondern ja wirklich jeden von uns gut unterhalten hat, dass eine Regierung, die sich sowieso nie so wirklich riechen konnte, endlich abtritt. So hart muss man das wohl sagen.
Der Fairness halber sei hinzugefügt, weder SPD und Grüne noch die FDP jemals Wahlkampf für eine Ampel gemacht hatten, dies bis zum Wahltag auch in keiner Weise angestrebt haben. Ein Wahlergebnis mit starker AFD gab den Rahmen vor, das schlechte Abschneiden der CDU bewog diese, direkt nach Verkündigung des Ergebnisses zu verlautbaren, dass man für jedwede Koalition nicht zur Verfügung stünde. Es bliebt direkt nach der Wahl nur die Ampel als Möglichkeit übrig. Böse gesagt, hat der Wähler es nicht anders gewollt - und sollte vielleicht das nächste Mal ein bisschen sorgfältiger überlegen, welche Folgen seine Stimme haben kann.
Und damit zum Schluss noch einmal kurz zurück nach Amerika. Denn wäre es in diesem Wochenmonument um Amerika gegangen, hätte ich mich im Rahmen einer Behandlung der Wahl dort auch noch mit dem Wahlsystem dort beschäftigt, das von Deutschen gerne kritisiert wird als undemokratisch, wenig transparent und insgesamt wenig zeitgemäß. Und das ist einerseits unfair, weil das Wahlsystem dort in der Tat ein paar hundert Jahre älter ist als unseres - aber eben auch ein paar hundert Jahre bewährter.
Andererseits aber auch in der Sache falsch. Ja: die wählen eigentlich Wahlmänner, statt direkt den Präsidenten. Und ja: die haben ein Mehrheitswahlrecht. Mehrheitswahlrecht heißt, es fallen viele Stimmen unter den Tisch, weil der Gewinner eines Wahlkreises eben alles zählt und die übrigen Bewerber gar nichts.
Nur haben wir ebenfalls ein Mehrheitswahlrecht im Bund - das ist die Erststimme. Wir machen es dann nur noch etwas komplizierter mit einer Zweitstimme, mit der wir je nach Bundesland eine Wahlliste wählen. Das Ergebnis drückt sich dann in der Zusammensetzung eines neuen Bundestages aus und der wiederum wählt anschließend einen Bundeskanzler - sofern sich eine absolute Mehrheit des Hauses findet, die sich hinter einem Kandidaten dafür versammeln mag. Wer am Wahltag im Jahr 2021 FDP gewählt hat, hat damit am Ende Olaf Scholz als Bundeskanzler gewählt und mal ganz ehrlich: die wenigsten werden sich das gewünscht haben, kaum jemand hat das so absehen können.
Von daher ist Hochmut gegenüber dem US-Wahlssystem echt fehl am Platz. Denn es ist erheblich transparenter und für den Wähler berechenbarer, als was wir hier treiben. Was nicht heißen muss, dass es auch zwingend besser ist, denn es verhindert dort so wenig eine beschissene Regierung wie bei uns.
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